Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers setzt wirksamen Pflegevertrag zwischen Pflegedienst und Hilfeempfänger voraus
Das SG Berlin hat mit Urteil vom 16.04.2018 – S 70 SO 1062/15 entschieden, dass der Anspruch eines Hilfeempfängers auf Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers stets einen wirksamen Pflegevertrag voraussetzt. In dem entschiedenen Fall hatte der Sozialhilfeträger eingewandt, der zwischen Pflegedienst und dem Hilfeempfänger abgeschlossene Pflegevertrag sei nicht wirksam, da das Preisberechnungsblatt als Anlage zum Pflegevertrag nicht vorhanden war. Allerdings hatten der Pflegedienst und der Hilfebedürftige eine „Bedarfsfeststellung über ambulante Sachleistungen“ unterzeichnet, die Grundlage des Antrags auf Leistungen der Hilfe zur Pflege war. Das SG Berlin hat insoweit entschieden, dass es sich bei dieser unterzeichneten Bedarfsfeststellung um einen wirksamen Pflegevertrag handelt, mit dem die Erbringung der bestimmten Leistungskomplexe, der Umfang sowie der Preis hierfür vereinbart worden sind. Die Tatsache, dass die Vereinbarung als Bedarfsfeststellung über ambulante Pflegeleistungen und nicht als Preisberechnungsblatt oder als Pflegevertrag bezeichnet worden ist, steht der rechtlichen Einordnung als Abschluss eines Pflegevertrages nicht entgegen. Bei der Auslegung einer Willenserklärung sei der wirkliche Wille maßgebend und nicht die Bezeichnung. Der Anspruch auf Gewährung weiterer Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII sei auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil sich der Hilfeempfänger auf die Einrede der Verjährung berufen könne. Die Verjährung des Zahlungsanspruchs eines Pflegedienstes richtet sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln. Die Verjährungsfrist beträgt demzufolge gemäß § 195 BGB drei Jahre und beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Hängt die Fälligkeit eines Anspruchs von der Erstellung einer Rechnung ab, entsteht der Anspruch im verjährungsrechtlichen Sinn regelmäßig erst mit Zugang der Rechnung beim Schuldner. Im entschiedenen Fall war der Zahlungsanspruch des Pflegedienstes aus diesem Grund am Tag der mündlichen Verhandlung des SG Berlin noch nicht verjährt.
Praxishinweis: Pflegedienste sollten penibel darauf achten, dass die Pflegeverträge vollständig mit allen Anlagen unterzeichnet sind, damit eine eindeutige Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers gegeben ist. Nur auf dieser Grundlage kann ein Sozialhilfeträger einer Schuld des Hilfeempfängers beitreten. Des Weiteren ist darauf zu achten, dass die Forderungen rechtzeitig geltend gemacht werden und nicht verjähren. Für den Beginn der Verjährung ist der Zugang der Rechnung beim Klienten maßgeblich.
mitgeteilt von Dr. Johannes Groß am 16.05.2018