Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG)
Mit dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz werden die vertragsrechtlichen Vorschriften des Heimgesetzes abgelöst und weiter entwickelt. Für die Anwendbarkeit des Gesetzes kommt es nicht mehr auf die die Einrichtungsform an, maßgeblich sind ausschließlich die vertraglichen Vereinbarungen.
Das Gesetz gilt für Verträge, die die Überlassung von Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen verbinden. Ausgenommen sind Verträge, bei denen neben dem Wohnraum allgemeine Betreuungsleistungen wie die Vermittlung von Pflegeleistungen, Notruf- oder hauswirtschaftliche Versorgungsdienste angeboten werden.
Das Gesetz ist zum 1. Oktober 2009 in Kraft getreten. Eine Übergangsvorschrift stellt sicher, dass die Neuregelung erst ab dem 01.05.2010 Anwendung auf Verträge findet, die nach dem bisherigen Heimrecht abgeschlossen wurden. Für andere Altverträge wie zum Beispiel Miet- und Dienstverträge im Bereich des Betreuten Wohnens gilt das Gesetz auch zukünftig nicht.
Zum Verständnis: Bis jetzt gab es das (Bundes-)Heimgesetz, das für alle stationären Einrichtungen bzw. Heimeinrichtungen galt.
In Zukunft gibt es 2 Gesetze:
•ein Landes-Gesetz für das Ordnungsrecht (in Berlin noch nicht erlassen)
•ein Bundes-Gesetz für die vertragsrechtlichen Regelungen = Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz(gilt ab 01.10.2009)
Die Aufspaltung wurde aufgrund der Föderalismusreform notwendig. Der ordnungsrechtliche Teil des früheren Bundesheimgesetzes wurde in die Kompetenz der Länder gewiesen. Der vertragliche Teil blieb jedoch in der Verantwortung des Bundesgesetzgebers. Dieser hat daher das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz verabschiedet, das bereits am 01.10.2009 in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz gilt nunmehr für alle Einrichtungsformen, wenn die Überlassung von Wohnraum mit der Erbringung von Pflegeleistungen und Betreuungsleistungen verbunden ist. Entsprechend dem Namen des Gesetzes heißt der entsprechende Vertrag nun nicht mehr zwingend „Heimvertrag“, sondern kann „Vertrag über Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen“ bezeichnet werden.
Das Gesetz ist auf alle Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher anzuwenden. Die Begriffe „Unternehmer“ und „Verbraucher“ verdeutlichen dabei die Zielrichtung des Gesetzes, das ältere Menschen sowie pflegebedürftige oder behinderte Volljährige bei Abschluss und Durchführung von Verträgen schützen und dadurch eine möglichst selbstständige und selbstbestimmte Lebensführung unterstützen will. Es ist dabei nicht erforderlich, dass die Pflege- oder Betreuungsleistungen nach den vertraglichen Vereinbarungen zur Verfügung gestellt oder vorgehalten werden. Diese müssen vom Verbraucher nicht sofort in Anspruch genommen werden, der Unternehmer hat jedoch für den Fall, dass der Verbraucher diese Leistungen irgendwann einmal benötigt, vorzuhalten.
Nicht vom Anwendungsbereich umfasst ist das betreute Wohnen, sofern neben dem Mietvertrag lediglich die Erbringung von allgemeinen Betreuungsleistungen (Notrufdienste und Vermittlung von Pflegeleistungen) vereinbart werden. Nicht mehr erforderlich ist insoweit für Einrichtungen des betreuten Wohnens, dass das Entgelt für die allgemeinen Betreuungsleistungen nur bis zu 20 % des Gesamtentgelts ausmacht.
Vorvertragliche Informationspflichten gemäß § 3 WBVG
Gemäß § 3 WBVG ist der Verbraucher rechtzeitig vor Vertragsschluss schriftlich und in „leicht verständlicher Sprache“ über das allgemeine Leistungsangebot, den wesentlichen Inhalt der Leistungen, die Entgelte und das Ergebnis von Qualitätsprüfungen zu informieren.
Zur Darstellung des allgemeinen Leistungsangebotes gehört:
– die Ausstattung und Lage des Gebäudes, in dem sich der Wohnraum befindet sowie der dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienenden Anlagen und Einrichtungen, zu denen der Verbraucher Zugang hat und ggf. ihrer Nutzungsbedingungen;
– der darin enthaltenen Leistungen nach Art, Inhalt und Umfang;
– der Ergebnisse der Qualitätsprüfungen (soweit diese zu veröffentlichen sind.).
Des Weiteren müssen die für den Verbraucher in Betracht kommenden Leistungen dargestellt werden, insbesondere
– Darstellung des Wohnraums, der Pflege oder Betreuungsleistungen (inklusive Verpflegung) sowie der einzelnen weiteren Leistungen nach Art, Inhalt und Umfang;
– Darstellung des Leistungskonzepts;
– Darstellung der Entgelte sowie der Investitionskosten und des Gesamtentgelts;
– Darstellung möglicher Leistungs- und Entgeltveränderungen;
– Hinweis auf evtl. Leistungsausschluss im Falle der Änderung des Pflege- und Betreuungsbedarfes, sofern ein solcher Ausschluss vereinbart werden soll (dieser Hinweis muss in hervorgehobener Form erfolgen).
Vertragsschluss und Vertragsdauer gemäß § 4 WBVG
Der Vertrag wird grundsätzlich auf unbestimmte Zeit geschlossen. Eine Befristung des Vertrages ist für maximal drei Monate zulässig, wenn sie nicht den Interessen des Verbrauchers widerspricht.
Wird die Befristung entgegen den Interessen des Verbrauchers vereinbart, so gilt der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen, es sei denn, der Verbraucher widerspricht innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung der Befristung. Der Verbraucher soll es also letztendlich in der Hand behalten, ob der Vertrag unbefristet abgeschlossen werden soll oder nicht.
Der Vertrag endet mit Tod des Verbrauchers. Für einen Zeitraum von zwei Wochen nach Sterbetag ist es möglich, eine Vereinbarung für Überlassung des Wohnraums gegen Fortzahlung des Entgelts zu treffen. Ersparte Aufwendungen des Unternehmers sind für diese Zeit nicht zu bezahlen. Die Regelung gilt nicht für Versicherte der Pflegeversicherung, da hier § 87 a SGB XI spezieller ist. Mit dem Tod des Versicherten hat der Einrichtungsträger keine Ansprüche auf Fortzahlung des Entgelts mehr.
Schriftform und Vertragsinhalt
Der Vertrag ist schriftlich abzuschließen. Der Unternehmer hat dem Verbraucher eine Ausfertigung auszuhändigen. Wird der Vertrag nicht schriftlich abgeschlossen, gilt das WBVG, der Vertrag bleibt zwar wirksam, kann jedoch vom Verbraucher jederzeit fristlos gekündigt werden.
Vertragsanpassung bei Änderung des Pflege- und Betreuungsbedarfs
Bei Änderung des Pflege- oder Betreuungsbedarfs wird der Unternehmer verpflichtet, eine Anpassung der Leistungen anzubieten. Diese angepassten Leistungen muss der Verbraucher nicht annehmen. Er kann sie nur teilweise annehmen. Dieser Umstand führt für den Unternehmer zu einem Kündigungsrecht gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 a WBVG.
Allerdings kann der Unternehmer seine Verpflichtung, eine Vertragsanpassung anzubieten, vertraglich ganz oder teilweise ausschließen. Dieser Ausschluss ist allerdings nur dann wirksam, wenn der Unternehmer an dem Ausschluss ein berechtigtes Interesse hat und dies in der Vereinbarung begründet (etwa Ungeeignetheit der Einrichtung). Dieser Ausschluss muss schriftlich erfolgen (nicht in elektronischer Form).
Diese Regelung ist für den Unternehmer problematisch, da er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zumeist noch nicht absehen kann, welcher Pflege- und Betreuungsbedarf zukünftig besteht und welche Leistungen er zukünftig erbringen kann und welche nicht. Der Unternehmer bleibt ohne Ausschluss der Vertragsanpassung solange leistungspflichtig, bis sich der Verbraucher für eine Beendigung des Vertrages entscheidet. Der Verbraucher hat insoweit einen vertraglichen Anspruch auf weitere Betreuung in der Einrichtung, auch wenn sich sein Pflegeaufwand erheblich erhöht. Ist eine Betreuung aus fachlichen Gründen nicht möglich, macht sich der Einrichtungsträger unter Umständen schadensersatzpflichtig. Er muss in einem solchen Fall Pflegefachpersonal anstellen.
Ein Ausschluss der Angebotsanpassung ist nur bei erstmaligem Vertragsschluss möglich. Eine nachträgliche Vereinbarung zum Ausschluss ist unwirksam. Der Ausschlussklausel kommt demnach eine erhebliche Bedeutung zu. Einrichtungsbetreiber müssen sich also genau überlegen, welche Leistungen sie auf keinen Fall erbringen können und wollen. Schließen sie Leistungen aus, müssen sie dies detailliert begründen. Allerdings enthält der Versorgungsvertrag nach SGB XI überwiegend eine umfassende pflegerische Versorgung.
Der Unternehmer ist bei Anpassung des Vertrages verpflichtet, dem Verbraucher durch Gegenüberstellung der bisherigen und der angebotenen Leistungen sowie der dafür jeweils zu entrichtenden Entgelte schriftlich darzustellen und zu begründen.
Entgelterhöhung
Jede Entgelterhöhung ist dem Verbraucher schriftlich mitzuteilen und zu begründen. Aus der Mitteilung müssen der Zeitpunkt der Erhöhung und das Entgelt hervorgehen. In der Begründung müssen die Positionen benannt werden, aus denen sich eine Kostensteigerung ergeben hat. Eine Verpflichtung zur Zahlung des erhöhten Entgelts entsteht frühestens vier Wochen nach Zugang des hinreichend begründeten Erhöhungsverlangens. Gleichzeitig muss der Verbraucher die Gelegenheit erhalten, die Angaben des Unternehmers durch Einsichtnahme in die Kalkulationsunterlagen zu überprüfen.
Kündigung durch den Verbraucher
Gemäß § 11 Abs. 2 kann der Bewohner den Vertrag innerhalb von zwei Wochen nach Beginn des Vertragsverhältnisses jederzeit ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Wird dem Verbraucher erst nach Beginn des Vertragsverhältnisses eine Ausfertigung des Vertrages ausgehändigt, kann der Bewohner auch noch bis zum Ablauf von zwei Wochen nach der Aushändigung kündigen.
Kündigung durch den Unternehmer
Der Unternehmer darf nur aus wichtigem Grund kündigen. Neben den schon bisher geltenden Kündigungsmöglichkeiten kann der Einrichtungsträger dann den Vertrag kündigen, wenn er eine fachgerechte Pflege- oder Betreuungsleistung nicht erbringen kann, weil der Bewohner eine vom Heimträger angebotene Anpassung der Leistungen nicht annimmt oder der Heimträger eine Anpassung der Leistungen aufgrund eines Leistungsausschlusses nicht anbietet und dem Unternehmer deshalb ein Festhalten an dem Vertrag nicht zumutbar ist.
Übergangsvorschrift § 17
Das Gesetz ist am 01.10.2009 in Kraft getreten. Auf bestehende Heimverträge, die bis 30.09.2009 nach dem bisherigen Heimgesetz abgeschlossen worden sind, findet das WBVG erst ab 01.05.2010 Anwendung
Sozialgericht stoppt Veröffentlichung von Transparenzbericht
Das Sozialgericht Münster hat in einem aktuellen Beschluss vom 18.01.2010 (S 6 B 202/09 ER) die Pflegekassen im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Veröffentlichung eines vorläufigen Transparenzberichts im Internet oder in sonstiger Weise zu unterlassen. Der Gerichtsbeschluss hat weitreichende Konsequenzen für alle betroffenen Pflegeeinrichtungen.
Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Nach Durchführung einer MDK- Qualitätsregelprüfung übersandten die Pflegekassen der Pflegeeinrichtung einen „vorläufigen“ Transparenzbericht. Dieser wies als rechnerisches Gesamtergebnis aus den bewerteten Einzelnoten die Note „ausreichend“ (3,8) aus, wobei der Qualitätsbereich Pflege und medizinische Versorgung die Gesamtnote „mangelhaft“ (4,7) erhalten hat. Hiergegen wehrte sich die Pflegeeinrichtung mit Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, um die Pflegekassen zur Unterlassung der Veröffentlichung des Transparenzberichts zu verpflichten. Zur Begründung führte die Pflegeeinrichtung aus, der zugrundeliegende Prüfbericht sei sachlich unzutreffend. Im Transparenzbericht werde vorrangig die Dokumentation und nicht die Qualität der Pflegeleistungen honoriert. Eine objektive Benotung der Pflegequalität sei im Übrigen gar nicht möglich. Mit einer Veröffentlichung sei binnen 28 Kalendertagen nach Übersendung an die Pflegeeinrichtung zu rechnen. Bei einer Veröffentlichung des Transparenzberichts würde der Ruf der Pflegeeinrichtung erheblich beeinträchtigt. Hierdurch drohe ein schwerer wirtschaftlicher Schaden. Die Pflegekassen wendeten demgegenüber ein, der Transparenzbericht sei auf der Grundlage der MDK-Qualitätsprüfung zeitnah zu veröffentlichen. Die Pflegeeinrichtung habe die Möglichkeit, innerhalb von 28 Tagen nach Bekanntgabe des vorläufigen Berichts eine Stellungnahme abzugeben, die dem veröffentlichten Transparenzbericht angefügt werde. Unstimmigkeiten zwischen der Einrichtung und den Landesverbänden der Pflegekassen müssten nicht geklärt werden, bevor die Pflegenoten veröffentlicht würden.
Das Sozialgericht Münster gab dem Antrag der Pflegeeinrichtung statt und untersagte den Pflegekassen die Veröffentlichung des Transparenzberichts. Eine Veröffentlichung würde die Trägerin der Pflegeeinrichtung in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit verletzen. Zur Verbreitung marktbezogener Informationen des Staates habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 26.06.2002 (BVerfGE 105, 252 ff.) dargelegt, dass die Veröffentlichung solcher Informationen den grundrechtlichen Gewährleistungsanspruch von betroffenen Wettbewerbern aus Art. 12 GG nur dann nicht beeinträchtige, wenn bei Vorliegen einer staatlichen Aufgabe insbesondere die Anforderungen an die Richtigkeit und Sachlichkeit der Information beachtet würden. Blieben selbst nach sorgsamer Aufklärung des Sachverhalts im Rahmen des Möglichen Unsicherheiten in tatsächlicher Hinsicht, könne eine Verbreitung der unsicheren Informationen nur dann zulässig sein, wenn sie im überwiegenden öffentlichen Interesse liege und die Marktteilnehmer auf die verbleibenden Unsicherheiten hingewiesen würden. Die Berücksichtigung dieser Grundsätze führe im Hinblick auf die Auslegung des § 115 Abs. 1 a SGB XI dazu, dass die Veröffentlichung von Transparenzberichten grundsätzlich nur auf der Grundlage zutreffender Tatsachenfeststellung erfolgen darf. Sofern aufgrund substantieller Einwendungen gegen die Feststellungen des MDK-Prüfberichts erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Prüfergebnisses bestehen, haben die Pflegekassen die Pflicht, diesen Zweifeln bzw. den Unstimmigkeiten vor der Veröffentlichung – etwa durch die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des MDK oder durch eine weitere Qualitätsprüfung – nachzugehen. Die gesetzliche Bestimmung des § 115 Abs. 1 a SGB XI erlaube die Veröffentlichung zweifelhafter Berichte nicht und enthalte im Übrigen auch keine Regelung darüber, wann die Transparenzberichte veröffentlicht werden sollen. Zwar sei in den Transparenzvereinbarungen mit ihrer 28-Tage-Regelung eine solche Zeitbestimmung enthalten und diese erscheine auch wünschenswert. Soweit der Sachverhalt im Rahmen des Möglichen jedoch noch nicht sorgsam aufgeklärt worden sei, müsse die Veröffentlichung unterbleiben. Dies entspreche auch dem Verbraucherinteresse, denn im Interesse der Verbraucher und dem Ziel der Qualitätsentwicklung in der Pflege seien nur „verlässliche Informationen“, wie es der Gesetzgeber in seiner Begründung zum Pflegeweiterentwicklungsgesetz ausdrücklich hervorgehoben habe. Die Veröffentlichung des Transparenzberichts habe daher schon deshalb zu unterbleiben, weil eine hinreichend sichere Tatsachenfeststellung nicht gegeben sei.
Die Veröffentlichung wäre noch aus einem anderen Grund rechtswidrig: Nach § 115 Abs. 1 a SGB XI stellen die Landesverbände der Pflegekassen sicher, dass die von Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität, insbesondere hinsichtlich der Ergebnis- und Lebensqualität, für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen verständlich, übersichtlich und vergleichbar sowohl im Internet als auch in anderer geeigneter Form kostenfrei veröffentlicht werden. Der Transparenzbericht genüge diesen gesetzlichen Anforderungen nicht. Denn er enthalte schwerpunktmäßig keine Aussagen über die Ergebnisqualität, sondern stelle vorrangig auf die Dokumentation der Pflegeleistungen ab. Die vom Gesetz geforderte Darstellung der „Ergebnis- und Lebensqualität“ beziehe sich im Unterschied zur Struktur- und Prozessqualität auf das erreichte Ergebnis der geleisteten Pflege. Dem werde das schwerpunktmäßige Abstellen auf Dokumentationsdefizite nicht gerecht. Die Dokumentationsqualität werde insoweit unzulässigerweise höher gewichtet, als die Pflegequalität. Bei Durchsicht der einzelnen benoteten Kriterien unter Berücksichtigung der Ausfüllanleitung für die MDK-Prüfer lassen sich zahlreiche Beispiele anführen, die diese Kritik als gerechtfertigt erscheinen lassen. Bereits die erste Frage aus dem Qualitätsbereich 2, die zudem besonders nebulös formuliert sei („Ist bei Bedarf eine aktive Kommunikation mit dem Arzt nachvollziehbar?“) ziele nicht auf die Feststellung, ob erforderlichenfalls Kontakt mit einem Arzt aufgenommen wird, sondern ob dies aus der Pflegedokumentation erkennbar ist. Die zweite Frage: „Entspricht die Durchführung der behandlungspflegerischen Maßnahme den ärztlichen Anordnungen?“, sei nach den Ausfüllanleitungen nur dann mit Ja zu beantworten, wenn die Durchführung solcher Maßnahmen fachgerecht und eindeutig dokumentiert werde – nicht ob die Durchführung der Maßnahme tatsächlich den ärztlichen Anforderungen entspreche. Auch die Frage „Entspricht die Medikamentenversorgung den ärztlichen Anordnungen?“ könne nach den Ausfüllanleitungen nur dann bejaht werden, wenn unter anderem die „vollständigen Medikamentennamen“ dokumentiert werden. Ob die Medikamentenversorgung dagegen in der Sache korrekt erfolge, sei nicht Gegenstand der Prüfung. Diese Aufzählung ließe sich fortführen. Dabei werde nicht verkannt, dass der Dokumentation in der Pflege eine große Bedeutung zukomme, sie betreffe allerdings nicht die Ergebnisqualität, auf die es nach dem Gesetz insbesondere ankommen soll, sondern die Prozessqualität. Das Bewertungssystem nötige die Einrichtungen, auf Kosten ihrer eigentlichen Aufgabe noch mehr in die Dokumentation zu investieren. Selbst in den Transparenzvereinbarungen werde anerkannt, dass es „derzeit keine pflegewissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über valide Indikatoren der Ergebnis- und Lebensqualität der pflegerischen Versorgung in Deutschland“ gibt. Deshalb sei die Vereinbarung als vorläufig zu betrachten und erlaube derzeit noch nicht die Bewertung der Transparenzkriterien. Erst Ende 2010 sei mit ersten Ergebnissen eines vom Bundesministerium für Gesundheit begleiteten Modellprojekts „Messung Ergebnisqualität“ zu rechnen. Bis dahin könnten jedoch valide Indikatoren der Ergebnis- und Lebensqualität überhaupt nicht vorliegen, so dass bis dahin auch keine Transparenzberichte veröffentlicht werden könnten, die den gesetzlichen Anforderungen des § 115 Abs. 1 a SGB XI genügen.
Im Falle einer Veröffentlichung würden der Pflegeeinrichtung im Übrigen erhebliche Wettbewerbsnachteile entstehen und ein gravierender wirtschaftlicher Schaden eintreten. Denn die Marktchancen einer Einrichtung, die in wesentlicher Hinsicht, nämlich im Qualitätsbereich „Pflege und medizinische Versorgung“, mit mangelhaft bewertet worden sind, dürften einen dauerhaften Schaden erleiden, der auch durch eine spätere Korrektur nicht wieder gut zu machen sei. Daher sei einstweiliger Rechtsschutz geboten.
Der Entscheidung des Sozialgerichts Münster ist vollumfänglich zuzustimmen. Bereits auf den ersten Blick entsprechen die zu prüfenden Kriterien der Transparenzberichte nicht den Fragestellungen in den Ausfüllanleitungen für die MDK-Prüfer. Dies betrifft sowohl die Pflegetransparenzvereinbarung ambulant, als auch die Pflegetransparenzvereinbarung stationär. In den PTVA soll beispielsweise die Frage: „Werden die individuellen Wünsche zur Körperpflege im Rahmen der vereinbarten Leistungserbringung berücksichtigt?“ nach der zugehörigen Ausfüllanleitung nur dann bejaht werden, wenn diese Wünsche dokumentiert sind. Die Dokumentation ist aber nicht die Frage, sondern die tatsächliche Berücksichtigung, also das Ergebnis. Dies entspricht auch dem gesetzgeberischen Willen und dem Wortlaut des § 115 Abs. 1 a SGB XI, der ausdrücklich von der Ergebnis- und Lebensqualität spricht. Dass die Ergebnisqualität schwer, die Prozessqualität dagegen leicht zu messen ist, kann nicht zu Lasten der Pflegeeinrichtungen gehen. Vielmehr muss eine wissenschaftlich fundierte Messbarkeit der Ergebnis- und Lebensqualität in Pflegeeinrichtungen nunmehr erst einmal herbeigeführt werden, um den gesetzgeberischen Willen zu entsprechen. Solange dies nicht der Fall ist, können Pflegeeinrichtungen unter Berufung auf Artikel 12 Grundgesetz die Unterlassung der Veröffentlichung der Pflegetransparenzberichte verlangen. Etwa schon veröffentlichte Transparenzberichte sind wieder aus dem Internet herauszunehmen.
Tipp für die Praxis:
Haben Sie nach einer MDK-Prüfung einen „vorläufigen Transparenzbericht“ erhalten, ist Ihre unverzügliche Aktivität gefordert: Prüfen Sie die Inhalte des Transparenzberichts und des MDK-Prüfberichts auf etwaige Unstimmigkeiten und Fehler. Widersprechen Sie der Veröffentlichung der Prüfergebnisse und legen Sie Ihre Einwendungen gegen den MDK-Prüfbericht und den Transparenzbericht möglichst detailliert dar. Sollte die Pflegekassen daraufhin die Veröffentlichung des Transparenzberichts nicht sofort aussetzen und Ihnen dies schriftlich bestätigen, können Sie mit Aussicht auf Erfolg vor dem Sozialgericht gegen die Veröffentlichung des Transparenzberichts Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellen.
Häusliche Krankenpflege auch in Intensiv-WG
Noch immer wird seitens einiger Krankenkassen die eigene Häuslichkeit und damit der Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Wohngemeinschaften für intensivpflegebedürftige Menschen bestritten. Es wird argumentiert, es handele sich in Wahrheit um eine versteckte Heimversorgung, bei der ein Anspruch auf Behandlungspflege gegen die Krankenkasse nicht bestehen könne. Das Landessozialgericht Hamburg hat nun in einer Entscheidung vom 17.05.2010 (Az. L 1 KR 25/10 B ER) die Krankenkasse im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, häusliche Krankenpflege in Form von 24 Std.-Beatmungspflege in der Wohngemeinschaft gemäß ärztlicher Verordnung vorläufig zu erbringen
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Antragsteller leidet an einer chronisch-ventilatorischen Insuffizienz mit der Notwendigkeit zur ständigen invasiven Beatmung mittels Tracheostoma. Er lebt in einer Wohngemeinschaft für intensivpflegebedürftige Menschen, die ebenfalls der 24-Std.-Beatmungspflege bedürfen. Alle Mieter werden vom selben Pflegedienst ambulant pflegerisch betreut. Es finden regelmäßig Mieterversammlungen statt, an denen die Mieter, deren gesetzliche Betreuer und Angehörige teilnehmen. Unter anderem erging ein Beschluss, dass ein bestimmter Pflegedienst die Pflegeleistungen für sämtliche Bewohner erbringen soll. Dementsprechend schloss der Antragsteller mit dem Pflegedienst einen Pflegevertrag über die Erbringung ambulanter Leistungen nach dem SGB V, SGB XI und SGB XII sowie sonstige Leistungen.
Die Krankenkasse lehnte die Übernahme der Kosten für die fortlaufende 24 Std.-Behandlungspflege ab. Es liege weder eine eigene Häuslichkeit vor, noch handle es sich um eine betreute Wohnform im Sinne von § 37 SGB V. Vielmehr sei davon auszugehen, dass es sich um eine stationäre Einrichtung handele, die unter das Heimgesetz falle. Der Antragsteller wehrte sich hiergegen zunächst mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den das Sozialgericht Hamburg ablehnte. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hatte sodann Erfolg. Nach der Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg sei davon auszugehen, dass die Wohngemeinschaft als betreute Wohnform die vom Gesetzgeber aufgestellten Voraussetzungen gemäß § 37 Abs. 2 SGB V erfülle. Denn mit dem Mietvertrag werde kein Anspruch gegen den Einrichtungsträger bzw. Vermieter auf Behandlungspflege begründet. Es sei auch nicht von einem Umgehungstatbestand auszugehen. Maßgebliches Abgrenzungskriterium für die Unterscheidung zwischen einer betreuten Wohnform und einer stationären Unterbringung sei die Frage, ob durch den Aufenthalt ein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege begründet werde. Nach der Gesetzesbegründung zu § 37 SGB V sollte eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs erfolgen, um vorschnell stationäre Einweisungen zu vermeiden und um Lücken im Zwischenbereich von stationärer und ambulanter Versorgung zu schließen. Allein durch den Aufenthalt in der Wohngruppe werde kein Anspruch auf medizinische Behandlungspflege begründet. Die Bewohner schließen einen Mietvertrag über die Überlassung einer Wohneinheit bzw. eines nicht möblierten Zimmers. Dieser Mietvertrag enthalte keine Regelungen über pflegemedizinische Dienstleistungen. Auch wenn es personelle Verflechtungen zwischen der Vermieterin und dem Pflegedienst gebe, handele es sich bei der Vermieterin um eine rechtlich selbstständige juristische Person des Privatrechts. Die Verpflichtung zur Gewährung von Leistungen der medizinischen Behandlungspflege ergebe sich erst aus dem mit dem Pflegedienst abgeschlossenen Pflegevertrag. Hierbei handle es sich um einen ambulanten Pflegedienst, dessen Leistungen grundsätzlich nicht an einen bestimmten Ort gebunden sind.
Es sei auch nicht die Situation einer Umgehung gegeben, die es rechtfertigen würde, die Wohngemeinschaft wie eine stationäre Einrichtung zu behandeln. Das wäre der Fall, wenn es sich nach dem äußeren Erscheinungsbild um eine stationäre Einrichtung handelt und die Gefahr besteht, dass sich der Einrichtungsträger zu Lasten der Krankenkasse von kostenintensiven Pflichtaufgaben befreit. Beides sei vorliegend nicht der Fall. Es bestünden einige bedeutsame Unterschiede zu einem stationären Pflegeheim: Die Bewohner entscheiden weitgehend selbstständig über die Zusammensetzung und die organisatorischen Abläufe in der Wohngemeinschaft. Das beginnt bei der Anmietung eines nicht möblierten Zimmers, welches nach eigenen Vorstellungen eingerichtet werden könne. Die Einkäufe werden auf Wunsch und im Auftrag der Bewohner durch den Pflegedienst durchgeführt, ebenso das Waschen der Kleidung. Seitens der Familienangehörigen würden Lebensmittel, Waschmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs selbst eingekauft. Es finden außerdem regelmäßig Mieterversammlungen statt, in denen die Bewohner Vereinbarungen über die Abläufe in der Wohngemeinschaft treffen. Es existiere eine Wohngemeinschaftsvereinbarung, nach der die Mitglieder der Wohngemeinschaft die Entscheidungsgewalt über die Angelegenheiten des Gemeinschaftslebens haben, ein Sprecher gewählt werde und eine Haushaltskasse bestehe. Die Neuaufnahme eines Mieters werde nach Beratung der Wohngemeinschaft und Absprache mit dem Vermieter und dem Pflegedienst die Regel. Rahmen und Umfang der Versorgung werden von den Bewohnern eigenverantwortlich bestimmt. Damit ist den Bewohnern eine eigenverantwortliche Wirtschaftsführung möglich und sie sind in der Lage sich selbst wirtschaftlich zu versorgen. Sie können entscheiden, ob sie bzw. ihre Angehörigen die Verpflegung sicherstellen, Einkaufen und Essen zubereiten oder ob dies durch den Pflegedienst durchgeführt wird. Es ergibt sich somit gerade keine Vertragsform, bei der durch einen Heimvertrag ein umfassender Versorgungsanspruch begründet wird. Der Aufenthalt der Bewohner ist vielmehr durch einen von ihnen selbst finanziell getragenen Mietvertrag zustande gekommen.
Im Übrigen hätte der Antragsteller auch bei einer Unterbringung in einer stationären Einrichtung einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege. Dies ergebe sich aus dem Ausnahmetatbestand des § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V, nach dem ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 SGB XI Anspruch auf Behandlungspflege bestehe, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben. Dies sei bei beatmungspflichtigen Patienten in der Regel der Fall. Deshalb hätte die Krankenkasse auch im Fall einer stationären Unterbringung die Kosten für die Behandlungspflege zu tragen. Besonders hohe Kosten würden der Krankenkasse durch die Erbringung der Behandlungspflege in der Wohngemeinschaft auch nicht entstehen. Naheliegend sei ferner, dass Kosten gespart werden, wenn nämlich komprimiert gepflegt wird und Fahrtkosten zu den verschiedenen Wohnungen der Bewohner nicht anfallen.
Die Entscheidung des LSG Hamburg ist in ihrer Klarheit zu begrüßen. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen betreuten Wohnformen im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V und stationären Einrichtungen muss nach wie vor die vertragliche Situation sein. Nicht entscheidend kann sein, welche Intensität die Pflegebedürftigkeit der Bewohner hat und ob diese etwa intensivpflegebedürftig sind bzw. der Beatmungspflege über täglich 24 Stunden bedürfen. Hat ein Bewohner einer Wohngemeinschaft einen Mietvertrag mit einem Vermieter abgeschlossen, der juristisch nicht mit dem Pflegedienst identisch ist und hat er aus dem Mietvertrag keinen Anspruch auf die Erbringung von Pflegeleistungen oder Behandlungspflegeleistungen, so handelt es sich um eine ambulant betreute Wohnform im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V. Dann ergibt sich allein aus dem Aufenthalt in der Wohnung noch kein Anspruch auf die Erbringung von Pflegeleistungen. Bei Wohngemeinschaften ist insoweit weiter erforderlich, dass eine Wohngemeinschaftsvereinbarung existiert, die unter anderem auch die Eigenverantwortlichkeit der Bewohner über die Abläufe in der Wohngemeinschaft regelt. Solange hier den Bewohnern eine eigenverantwortliche Wirtschaftsführung möglich ist und sie in der Lage sind, sich selbst wirtschaftlich zu versorgen, liegt eine ambulant betreute Wohnform vor, die eine ambulante Versorgung durch externe Pflegedienste gewährleistet.
Tipp für die Praxis:
In ambulant betreuten Wohnformen und Wohngemeinschaften ist stets darauf zu achten, dass personell wie inhaltlich streng zwischen Vermietung und den Pflege- und Betreuungsleistungen unterschieden wird. Personelle Verflechtungen sollten vermieden werden. Außerdem sollte ein möglichst hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit durch die Etablierung sogenannter Auftraggebergemeinschaften gewährleistet sein.
Bundessozialgericht verweigert Pflegediensten nach Tod des Pflegebedürftigen die Geltendmachung des Anspruchs gegen Sozialhilfeträger
Bundessozialgericht – Urteil vom 13.7.2010, B 8 SO 13/09 R
Für den Fall des Todes eines pflegebedürftigen Menschen sieht § 19 Abs. 6 SGB XII vor, dass dessen Anspruch auf Hilfe zur Pflege gegen den Sozialhilfeträger auf die Einrichtung übergeht. Während stationäre Einrichtungen für ihre erbrachten Leistungen nach dem Tod des Hilfeempfängers auch bei laufendem Bewilligungs- bzw. Widerspruchsverfahren noch Vergütung beanspruchen können, wird ambulanten Pflegediensten dieser Anspruch gegen die Sozialhilfeträger verweigert. Sie erhalten für die erbrachten, aber noch nicht bzw. ausreichend bewilligten Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Tod des Hilfeempfängers keinerlei Vergütung. Diese Ungleichbehandlung hat das Bundessozialgericht nunmehr gebilligt.
Im Streit stand folgender Fall: Der Sozialhilfeträger gewährte der Hilfeempfängerin mit Bescheid vom 3.1.2006 rückwirkend Hilfe zur Pflege gemäß § HYPERLINK „//dejure.org/gesetze/SGB_XII/65.html“ o „§ 65 SGB XII: Andere Leistungen“ „_blank“ 65 Abs. 1 SGB XII für die Zeit ab 1.6.2005, allerdings in wesentlich geringerem Umfang als beantragt. Gegen diese nicht ausreichende Bewilligung legte die Hilfeempfängerin Widerspruch ein und verwies auf den Umfang notwendigen erbrachten Leistungen und das Pflegegutachten des MDK, der die Voraussetzungen der Pflegestufe II festgestellt hatte. Während des Widerspruchsverfahrens verstarb die Hilfeempfängerin.
Der Pflegedienst zeigte sodann dem Sozialhilfeträger unter Berufung auf § 19 Abs. 6 SGB XII seinen Eintritt in dieses Verfahren an und beantragte die Übernahme der ihm für die Pflege der Hilfeempfängerin in der Zeit vom 1.6.2005 bis 31.12.2005 entstandenen, noch ungedeckten Kosten in Höhe von 14.741,75 Euro. Der Sozialhilfeträger wies den Widerspruch des Pflegedienstes zurück und berief sich auf die fehlende Anwendbarkeit des § 19 Abs. 6 SGB XII für ambulante Dienste. Die genannte Vorschrift beziehe sich nur auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld.
?Nachdem die Klage und die Berufung gegen die Ablehnung der Kostenerstattung erfolglos waren, zog der Pflegedienst mit der Revision vor das Bundessozialgericht. Er ist der Auffassung, § HYPERLINK „//dejure.org/gesetze/SGB_XII/19.html“ o „§ 19 SGB XII: Leistungsberechtigte“ „_blank“ 19 Abs. 6 SGB XII erfasse nach dem Willen des Gesetzgebers auch ambulante Pflegedienste und damit auch ambulante Pflegeleistungen gem. § 65 SGB XII. Der Zweck des § 19 Abs. 6 SGB XII und der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) geböten eine Einbeziehung ambulanter Pflegedienste, weil auch diese in ihrem berechtigten Vertrauen auf die Übernahme der Kosten durch den Sozialhilfeträger schutzwürdig seien und deren Einbeziehung letztlich die Erbringung einer schnellen Hilfe durch Dritte im Sinne des Hilfebedürftigen fördere. Ein sachlicher Grund für die Differenzierung zwischen stationären Einrichtungen und ambulanten Diensten sei nicht erkennbar. Zudem seien stationäre Einrichtungen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Stärke eher in der Lage, finanzielle Ausfälle zu verkraften, als kleinere ambulante Dienste, die daher in einem höheren Maße schutzbedürftig seien. Eine andere Auslegung der Norm widerspreche dem im Gesetz formulierten Grundsatz „ambulant vor stationär“ und würde ambulante Pflegedienste bei vergleichbarer Interessenlage in nicht zu rechtfertigender Weise gegenüber stationären Einrichtungen benachteiligen. § HYPERLINK „//dejure.org/gesetze/SGB_XII/19.html“ o „§ 19 SGB XII: Leistungsberechtigte“ „_blank“ 19 Abs. 6 SGB XII liege ein weiter Einrichtungsbegriff zugrunde. Schließlich seien als Pflegegeld im Sinne des § HYPERLINK „//dejure.org/gesetze/SGB_XII/19.html“ o „§ 19 SGB XII: Leistungsberechtigte“ „_blank“ 19 Abs. 6 SGB XII zumindest auch Leistungen nach § HYPERLINK „//dejure.org/gesetze/SGB_XII/65.html“ o „§ 65 SGB XII: Andere Leistungen“ „_blank“ 65 SGB XII zu verstehen.
Dem widersprach nun das Bundessozialgericht. Der Pflegedienst habe keinen Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Kosten für die der Hilfeempfängerin in der Zeit vom 1.6. bis 31.12.2005 erbrachten ambulanten Pflegeleistungen aus § 19 Abs 6 SGB XII. Danach steht der Anspruch der Berechtigten auf „Leistungen für Einrichtungen“ oder auf Pflegegeld nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat. Die Vorschrift regle einen besonderen Fall der Sonderrechtsnachfolge. Leistungen zur häuslichen Pflege seien keine „Leistungen für Einrichtungen“ im Sinne des § 19 Abs 6 SGB XII. Der Gesetzgeber unterscheide zwischen „Leistungen außerhalb von Einrichtungen“ (ambulante Leistungen) und Leistungen in teilstationären oder stationären Einrichtungen (teilstationäre oder stationäre Leistungen). Beide Begriffe würden in § 13 Abs. 1 SGB XII in gesetzestypischer Weise definiert. Ambulante Leistungen würden hiernach „außerhalb von Einrichtungen“ erbracht; ambulante Dienste seien mithin gerade nicht Einrichtungen. Der Begriff „Einrichtung“ sei bereits nach dem Rechtsverständnis des BSHG der Oberbegriff für „Anstalten“, „Heime“ und „gleichartige Einrichtungen“. Nach der vom Bundesverwaltungsgericht zu dieser Vorschrift entwickelten Rechtsprechung handle es sich bei einer Einrichtung um einen in einer besonderen Organisationsform zusammengefassten Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und Leistungen der Sozialhilfe erbringt. Wesentliches Merkmal einer Einrichtung sei seit jeher die räumliche Bindung an ein Gebäude. Dies treffe für Leistungen ambulanter Dienste nicht zu.
Eine Gleichstellung ambulanter Leistungserbringer mit stationären bzw. teilstationären Leistungserbringern sei auch nicht vor dem Hintergrund des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) geboten. Der Gleichheitssatz verbiete es, eine Gruppe von Normadressaten im Verhältnis zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede solcher Art und solchen Gewichts bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigten könnten. Wesentlich Gleiches müsse gleich und wesentlich Ungleiches ungleich behandelt werden. Dabei obliege es grundsätzlich dem Gesetzgeber, die Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er somit im Rechtssinne als gleich ansehen will, soweit die Auswahl sachgerecht sei, was anhand der Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts zu beurteilen ist. Die Anforderungen an den Differenzierungsgrund werden durch den Regelungsgegenstand und das Differenzierungskriterium bestimmt und reichen vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Situation ambulanter Leistungserbringer sei mit der Situation der Erbringer von stationären bzw. teilstationären Leistungen nicht vergleichbar. Deren unterschiedliche Behandlung stelle im Hinblick auf den Anspruchsübergang nach § 19 Abs 6 SGB XII keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar. Durch den Anspruchsübergang sollen die Träger einer Einrichtung, die Hilfe zur Pflege erbracht haben, und Pflegepersonen im Sinne von nahen Angehörigen des Pflegebedürftigen, die Pflege geleistet haben, in ihrem Vertrauen auf die Gewährung von Leistungen geschützt werden. Die besondere Schutzwürdigkeit dieses Vertrauens resultiere bei Pflegepersonen aus dem Umstand der geleisteten persönlichen Pflege aufgrund einer emotionalen Verbundenheit mit dem Pflegebedürftigen und der damit verbundenen Entlastung der Solidargemeinschaft. Das Vertrauen von Einrichtungen, die (teil-)stationäre Leistungen erbringen, sei besonders schutzwürdig. (Teil-)Stationäre Pflege werde im Regelfall gewährt, wenn ambulante Hilfen nicht ausreichend sind, was insbesondere dann der Fall sei, wenn der Hilfebedürftige in einem zunehmenden Maße pflegebedürftig werde. Dem in § 13 Abs 1 Satz 3 bis 5 SGB XII normierten Regel-Ausnahme-Verhältnis („ambulant vor stationär“) könne entnommen werden, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von höheren Kosten für die (teil-)stationäre Pflege im Vergleich zur ambulanten Pflege ausgehe. Das Kostenrisiko sei für den Erbringer (teil-)stationärer Leistungen typischerweise größer als für einen ambulanten Leistungserbringer. Zudem dürften Einrichtungsträger ihre Leistungen im Regelfall in größeren zeitlichen Abständen abrechnen, sodass sie eher gefährdet seien, den Anspruch auf Leistungen in einem größeren Umfang durch den Tod des Hilfeberechtigten zu verlieren. Dieser Unterschied rechtfertige die Beschränkung des in § 19 Abs. 6 SGB XII geregelten Anspruchsübergangs auf die Erbringer von (teil-)stationären Leistungen. Dass im Einzelfall die Kosten für die geleistete ambulante Pflege den Umfang der Kosten einer (teil-)stationären Pflege erreichen oder auch übersteigen, stehe dem nicht entgegen. Der Gesetzgeber könne typisierende und generalisierende Regelungen treffen; die dabei entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten müssten hingenommen werden, wenn die Benachteiligung nur eine kleine Zahl von Personen betreffe und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv sei.
Der Entscheidung des Bundessozialgerichts ist entschieden zu widersprechen. Sie ist verfassungsrechtlich bedenklich. Eine Ungleichbehandlung zwischen ambulanter und stationärer Pflege ist hier schlichtweg nicht zu rechtfertigen. Die Situation ambulanter Leistungserbringer und die der Erbringer von stationären bzw. teilstationären Leistungen ist gerade im Hinblick auf die Interessenlage bei Tod eines gepflegten Menschen sehr wohl vergleichbar. Dies bedeutet für Einrichtungsträger ebenso wie für Pflegedienste ein erhebliches Risiko, da sie mit ihren Leistungen zumeist in Vorleistung treten und auf die Kostenerstattung durch den Sozialhilfeträger angewiesen sind. Das Vertrauen ambulanter Pflegedienste auf die Gewährung von Leistungen durch den Sozialhilfeträger ist um keinen Deut weniger schutzwürdig als die stationärer bzw. teilstationärer Einrichtungen. Ein Schutz ist für alle Versorgungsformen bei der in der Regel aufwendigeren Pflege vor dem Tod eines pflegebedürftigen Menschen erforderlich. Es kann nicht sein, dass die ambulanten Leistungserbringer gerade in dieser Situation trotz berechtigten Vertrauens auf Leistungen der Sozialhilfe leer ausgehen. Dass in stationären Einrichtungen in der Regel höhere Kosten als in der ambulanten Pflege entstehen, ist nicht zutreffend und könnte im Übrigen eine Ungleichbehandlung auch nicht rechtfertigen. Ebenso wenig kann eine unterschiedliche Abrechnungspraxis – so sie denn überhaupt besteht – eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Die Unterscheidung zwischen ambulanter und stationärer Pflege ist hier nahezu willkürlich. Der Gleichheitssatz verbietet es, diese beiden Leistungserbringer unterschiedlich zu behandeln, weil zwischen beiden Gruppen im Hinblick auf die Situation des Vertrauens auf die geleistete Pflege keine Unterschiede solcher Art und solchen Gewichts bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigten könnten.
Abgesehen hiervon ist der Begriff der „Einrichtung“ in § 13 Abs. 2 SGB XII weniger eng zu verstehen als das BSG meint. In der Vorschrift ist vielmehr ein prinzipiell weites Verständnis des Einrichtungsbegriffs angelegt; die im Bundessozialhilfegesetz noch enthaltene sprachlich differenziertere Fassung mit der Unterscheidung in Anstalten, Heime und „gleichartige“ Einrichtungen ist erkennbar aufgegeben worden, um der weiteren Flexibilisierung und Diversifizierung des Angebots Rechnung zu tragen. Wie sind etwa „Einrichtungen“ des Betreuten Wohnens oder Betreute Wohngemeinschaften zu bewerten, in denen die Bewohner ambulante Leistungen erhalten, die aber gleichwohl eine „räumliche Bindung an ein Gebäude“ aufweisen? Diese betreuten Wohnformen wären nach den im Urteil aufgestellten Grundsätzen wohl unter den Begriff der Einrichtung im Sinne von § 19 Abs. 6 SGB XII zu fassen, so dass eine Differenzierung zwischen ambulanten und stationären Einrichtungen im Hinblick auf den Anspruchsübergang bei Tod der Patienten noch fragwürdiger wäre.
Tipp für die Praxis:
Setzen Sie die Sozialhilfeträger bei zu lange andauerndem Bewilligungsverfahren mit Hinweis auf § 19 Abs. 6 SGB XII unter Druck, die notwendigen und erbrachten Leistungen anzuerkennen. Sichern Sie den Umfang durch möglichst aktuelle Bedarfsfeststellungen durch das Sozialamt ab. Es kann bei der bestehenden Rechtsprechung nicht von Ihnen verlangt werden, ohne jegliche Absicherung auf eigenes Risiko in Vorleistung zu gehen.
Maßnahmenbescheide nicht bestandskräftig werden lassen
Nach Qualitätsprüfungen des MDK ergehen in der Regel so genannte Maßnahmenbescheide der Pflegekassen, mit denen die Pflegeeinrichtungen unter Fristsetzung aufgefordert werden, die vom MDK „festgestellten“ Qualitätsdefizite zu beseitigen. Jede Pflegeeinrichtung muss bei Erhalt eines solchen Maßnahmenbescheids sorgfältig prüfen, ob die Feststellungen des MDK zutreffen und ob die gesetzte Frist ausreicht, um die Mängel zu beseitigen. Ansonsten drohen vertragliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung des Versorgungsvertrages. Außerdem ist zu prüfen, ob auch der zur MDK-Qualitätsprüfung erstellte Transparenzbericht angefochten werden soll. Ist man mit dem Transparenzbericht nicht einverstanden, sollte auch der Maßnahmenbescheid angefochten werden, damit die dort enthaltenen „Feststellungen“ des MDK nicht bestandskräftig werden.
Dass sich ein Vorgehen gegen den Maßnahmenbescheid lohnen kann, zeigt eine Entscheidung des Sozialgerichts Münster vom 19.01.2010 (S 6 P 201/09 ER). Folgender Sachverhalt lag zugrunde:
Der MDK führte in der Pflegeeinrichtung eine Qualitätsprüfung (Regelprüfung) gemäß den §§ 114 ff. SGB XI durch. In der zusammenfassenden Beurteilung des Prüfberichts heißt es einleitend, dass die Pflegedienstleitung an der Prüfung wegen Urlaubs nicht habe teilnehmen können. Untersuchungen von fünf per Zufallsstichprobe ausgewählter Patienten hätten ergeben, dass der Pflegezustand im Bereich der Körperpflege in einem Fall sehr gut, im Übrigen nicht ganz befriedigend gewesen sei. Die individuelle Planung und Umsetzung des Pflegeprozesses sei den Pflegedokumentationen nicht im erforderlichen Maße zu entnehmen. Vor allen Dingen im Bereich der Kontrakturgefahr und bei bereits bestehenden Kontrakturen erfolge keine systematische Risikoerfassung. Die Durchführung erforderlicher Maßnahmen sei anhand der Pflegedokumentation nicht erkennbar. Die behandlungspflegerischen Leistungen würden von der Einrichtung überwiegend korrekt durchgeführt. Lediglich bei einem Bewohner wäre der Kompressionsverband nicht fachgerecht angelegt worden. Die Kommunikation mit dem Arzt sei überwiegend ersichtlich. Die Durchführung entspreche immer der ärztlichen Anordnung. Die verordneten Medikamente seien nicht immer korrekt dokumentiert. Der Umgang mit Medikamenten sei nicht sach- und fachgerecht. Im Rahmen der Qualitätsprüfung habe ein sachgerechter Umgang bei den auf den Pflegebedürftigen bezogenen Aspekten nicht in ausreichendem Umfang festgestellt werden können. Dies gelte insbesondere in den Bereichen Mobilität mit Sturzrisiko und Dekubitusgefahr, Ernährung und Flüssigkeitsversorgung, Inkontinenz, Demenz sowie Körperpflege. Meist seien diese Aspekte unzureichend in den Pflegedokumentationen dargestellt. Der Prüfbericht enthält einen ausführlichen Katalog von Empfehlungen zur Beseitigung von Qualitätsdefiziten. Als Frist zur Umsetzung der aufgeführten Maßnahmen wurde überwiegend „ab sofort“, teilweise innerhalb eines, zwei oder drei Monaten angegeben.
?Im Rahmen der Anhörung hat die Pflegedienstleitung in einer ausführlichen, eingehenden Stellungnahme den im Prüfbericht dargelegten Qualitätsmängeln widersprochen. Die Feststellungen der Prüfer seien weitgehend unzutreffend. In einigen wenigen Punkten wurde eine Nachbesserung zugesagt.
?Die Pflegekassen erteilten sodann einen Bescheid über die zu treffenden Maßnahmen zur Beseitigung von Qualitätsdefiziten. Vor der Auflistung der Maßnahmen führten die Pflegekassen aus, dass zwischenzeitlich begonnene, erledigte oder nachgewiesene Maßnahmen in diesem Bescheid teilweise dennoch aufgeführt würden. Hierdurch werde dokumentiert, dass die auferlegten Maßnahmen eine Dauerwirkung hätten und permanent erfüllt sein müssten. Anschließend stellten die Pflegekassen fest, dass die Pflege nach dem Prinzip der Bezugspflege organisiert und durchgeführt werden müsse. Die Personaleinsatzplanung habe sich daher am Versorgungs- und Pflegebedarf der Patienten zu orientieren, wobei eine personelle Kontinuität in der pflegerischen Versorgung und sozialen Betreuung zu gewährleisten sei. Beim Einsatz von Pflegehilfskräften sei nachweislich sicherzustellen, dass Pflegefachkräfte die fachliche Überprüfung des Pflegebedarfs, die Anleitung der Hilfskräfte und Kontrolle der geleisteten Arbeit gewährleisteten. Im Rahmen des Qualitätsmanagements seien die Expertenstandards zu berücksichtigen. Der Expertenstandard „Förderung der Kontinenz“ sei zu implementieren und anzuwenden. Die Pflegeeinrichtung habe ein geeignetes Pflegedokumentationssystem vorzuhalten. Die Pflegedokumentation sei sachgerecht und kontinuierlich zu führen. Aus den Unterlagen der Pflegedokumentation müsse jederzeit der aktuelle Verlauf und Stand des Pflegeprozesses ablesbar sein. Die vorhandenen Dokumentationen seien sukzessiv zu vervollständigen. Ferner stellten die Pflegekassen fest, dass die Verpflichtung zur Leistungserbringung nach dem jeweils aktuellen Stand der pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse auch die Beachtung der Hinweise des MDK im Prüfbericht impliziere. Ab sofort seien sämtliche Pflegeleistungen adäquat zu erbringen. Die Erledigung der einzelnen Maßnahmen sei fristgerecht nachzuweisen. Würden die festgestellten Mängel nicht fristgerecht beseitigt, könnten die Antragsgegner den Versorgungsvertrag kündigen. Auch könnten die vereinbarten Pflegevergütungen gekürzt werden, sofern die Pflegeeinrichtung ihre gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen zu einer qualitätsgerechten Leistungserbringung nicht einhielte.
Gegen diesen Maßnahmenbescheid erhob die Pflegeeinrichtung Klage und beantragte zugleich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Der Maßnahmenbescheid rechtswidrig. Die festgestellten Mängel lägen weitgehend nicht vor. Außerdem sei die Pflegeeinrichtung nicht ordnungsgemäß angehört worden und die Pflegekassen hätten ihr Auswahlermessen nicht ausgeübt. Die auferlegten Maßnahmen seien im Übrigen zu unbestimmt.
?Das Sozialgericht gab dem Antrag der Pflegeeinrichtung im Rahmen einer Eilentscheidung statt. Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage habe die Klage im Hauptsacheverfahren große Erfolgsaussichten. Die Entscheidung erfolge aufgrund einer Interessenabwägung zu Gunsten der Pflegeeinrichtung, weil sie ein großes Aussetzungsinteresse habe. Es spreche sehr viel dafür, dass der Maßnahmebescheid rechtswidrig ist. Dabei könne dahinstehen, ob die Rechtswidrigkeit aufgrund einer möglicherweise unzureichenden Anhörung der Pflegeeinrichtung vor Erteilung des Bescheides anzunehmen ist. Insoweit sei hervorzuheben, dass in § 115 Abs. 2 Satz 1 SGB XI die bereits allgemein aus § 24 SGB X folgende Anhörungspflicht besonders geregelt worden ist. Dementsprechend sind vor Erteilung eines Bescheides ggf. höhere Anforderungen an eine Anhörung zu stellen. Offen könne auch bleiben, ob die Rechtswidrigkeit daraus folgt, dass die Pflegekassen ihr durch § 115 Abs. 2 Satz 1 SGB XI eingeräumtes Auswahlermessen nicht erkennbar ausgeübt haben. Die größten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides folgen nach Auffassung des Sozialgerichts aber daraus, dass die Pflegekassen auf der Grundlage einer unsicheren Tatsachenfeststellung entschieden hätten. Angesichts der gegen den Bericht von der Pflegeeinrichtung unter Beifügung von Belegen und Unterlagen vorgelegten sehr eingehenden, ausführlichen Stellungnahme könne ohne weitere Sachverhaltsaufklärung von einer gesicherten Tatsachenfeststellung als Grundlage für einen so einschneidenden Bescheid, wie der angefochtene Maßnahmenbescheid ihn darstellt, keine Rede sein. Der ohne Einholung zumindest einer ergänzenden Stellungnahme des MDK erteilte Bescheid erscheine geradezu als eine Maßnahme „aufs Geratewohl“ und „ins Blaue“ hinein. Ein derartiges Vorgehen entspreche nicht den Mindestanforderungen an ein rechtsstaatliches, faires Verfahren. Der angefochtene Bescheid dürfte ferner nicht den Anforderungen an die gemäß § 33 Abs. 1 SGB X gebotene hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsakts genügen. Für die Beteiligten müsse vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will. Der Adressat des Verwaltungsakts müsse sein Verhalten danach ausrichten können. Die Handlungsanweisungen im Maßnahmenbescheid seien nicht eindeutig. Die offenbar auf der Basis von Textbausteinen formulierten Maßnahmen enthielten durchweg nur allgemeine Anforderungen, die dem Gesetz oder allgemeinen fachlichen Standards entnommen werden können. So beginne der Maßnahmekatalog mit der Floskel, dass die Pflege nach dem Prinzip der Bezugspflege organisiert und durchgeführt werden müsse. Am Ende des umfassenden Katalogs heißt es, dass „ab sofort sämtliche Pflegeleistungen adäquat zu erbringen“ seien. Konkrete Handlungsmaßnahmen werden nicht festgelegt. Vielmehr unterstellen die nahezu alle Qualitätsbereiche betreffenden „Maßnahmen“, dass eine sachgerechte Pflege in der Einrichtung nahezu zur Gänze nicht erfolgt. Träfe dies zu, was allerdings wegen der Feststellungen des MDK im Prüfbericht auszuschließen ist, wären die Pflegekassen sicherlich verpflichtet, den Versorgungsvertrag gemäß § 74 Abs. 2 SGB XI fristlos zu kündigen. Für einen Maßnahmenbescheid gemäß § 115 Abs. 2 SGB XI wäre dann kein Raum. Da dies offensichtlich nicht der Wahrheit entspreche und der Maßnahmenbescheid mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer intensiven Rechtsverletzung der Pflegeeinrichtung führe, überwiege das Aussetzungsinteresse der Pflegeeinrichtung, so dass dem Antrag stattzugeben war.
Der Entscheidung des Sozialgerichts Münster ist zuzustimmen. Die meisten Maßnamenbescheide geben unreflektiert die Empfehlungen des MDK als abzustellende Mängel wider und stellen die Qualitätsdefizite derart drastisch dar, dass ein unbefangener Leser den Eindruck gewinnt, es würden gravierende Pflegemängel auf allen Qualitätsebenen bestehen, die unmittelbar zu einer Patientenschädigung führen könnten. Dies ist in den allermeisten Fällen schlichtweg unzutreffend. Nimmt der Pflegedienst zum MDK-Prüfbericht detailliert Stellung, ist von Seiten der Pflegekassen zumindest zu erwarten, dass die Stellungnahme der Pflegeinrichtung zur Kenntnis genommen und hierauf auch eingegangen wird. Geschieht dies nicht, spricht dies für die Rechtswidrigkeit des Maßnahmenbescheids.
Tipp für die Praxis:
Geben Sie im Rahmen der Anhörung nach einer MDK-Qualitätsprüfung eine detaillierte Stellungnahme zu den vom MDK gerügten Qualitätsmängeln ab. Prüfen Sie sodann, ob der Maßnahmenbescheid Ihre Einwendungen berücksichtigt hat und ob die Maßnahmen bestimmt genug sind. Lassen Sie den Maßnahmenbescheid nicht bestandskräftig werden, falls die Feststellungen nicht zutreffen. Eine Anfechtung des Maßnahmenbescheides ist auch dann geboten, wenn Sie gegen den Transparenzbericht vorgehen wollen. Ansonsten kann die Bestandskraft des Maßnahmenbescheides dazu führen, dass Sie mit Ihren Einwendungen zum Transparenzbericht nicht mehr durchdringen können.
Nutzung als Pflege-WG ist baurechtlich zu genehmigen
Die gemeinschaftliche Versorgung und Betreuung von pflegebedürftigen Menschen in Wohngemeinschaften ist mittlerweile in allen Bundesländern in den Länder-Heimgesetzen geregelt. In einigen Bundesländern wurden jedoch die Bauordnungen noch nicht diesen speziellen Wohnformen angepasst. Daher gelten die meisten Wohngemeinschaften nach diesen einzelnen Bauordnungen der Länder als „Sonderbauten“. Konsequenz ist, dass es sich bei der Nutzung durch überwiegend alte und pflegebedürftige Menschen um eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung handelt, da diese Nutzung nicht von der Baugenehmigung für ein Wohnhaus gedeckt ist.
Einen entsprechenden Fall hatte das Verwaltungsgericht Potsdam zu entscheiden. Mit Urteil vom 30.06.2011 (Az.: 5 K 890/08) entschied das Gericht, dass das Vorgehen der örtlichen Bauordnungsbehörde, die Nutzung einer Wohngemeinschaft pflegebedürftiger Menschen zu untersagen, rechtmäßig war.
Im dortigen Fall vermietet ein Seniorenverein Räume in einem Mehrfamilienhaus an pflegebedürftige Personen. Das Gebäude wurde ursprünglich mit einer Baugenehmigung als Mehrfamilienwohnhaus genehmigt. In der Wohngemeinschaft leben 4 Senioren mit unterschiedlichen Pflegestufen bis zur Pflegestufe III. Die Betreuung und Pflege der älteren Menschen erfolgt durch einen ambulanten Pflegedienst. Nachdem die untere Bauordnungsbehörde eine Besichtigung des Objekts durchführte, stellte die Behörde Mängel hinsichtlich der Barrierefreiheit und des ersten Rettungsweges fest; außerdem seien die Türen weniger als 90 cm breit. Daraufhin untersagte die untere Bauaufsichtsbehörde dem Vermietungsverein, die Wohnung als Anlage zur Pflege und Betreuung sowie zum Wohnen alter und pflegebedürftiger Menschen zu nutzen. Zur Begründung führte die Behörde aus, dass die Wohngemeinschaft ohne die erforderliche Baugenehmigung als Pflegeheim genutzt werde. Es seien keine rauchdichten Türen vorhanden und im Haus sei weder eine Sicherheitsbeleuchtung noch eine Brandmeldeanlage vorhanden. Die Wohngemeinschaft stelle einen Sonderbau dar. Die ausgeübte Nutzung erfülle nicht die Merkmale des bloßen Wohnens und sei anderen Anforderungen, insbesondere hinsichtlich des Brandschutzes und der Barrierefreiheit, unterworfen. Eine reine Wohnnutzung sei durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung und der Haushaltsführung sowie der Freiwilligkeit des Aufenthalts gekennzeichnet. Dies sei nicht der Fall, da ein Großteil der Bewohner aus körperlichen und/oder geistigen sowie auch aus rechtlichen Gründen zur eigenen Haushaltsführung nicht in der Lage sei. Bauordnungsrechtlich handele es sich um ein Pflegeheim. Jedenfalls stelle die Nutzung durch überwiegend alte und pflegebedürftige Menschen eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung dar, da diese Nutzung nicht mehr von der Baugenehmigung für ein Wohnhaus gedeckt sei.
Der Vermieter der Wohngemeinschaft ging gegen die Nutzungsuntersagung der Behörde gerichtlich vor. Er argumentierte, die Nutzung durch eine Senioren-WG unterscheide sich nicht von einer Wohnnutzung. Es handele sich nicht um ein Pflegeheim und nicht um einen Sonderbau. Nach dem Länder-Heimgesetz sei die WG nicht als „Einrichtung“ einzuordnen, sondern als selbstverantwortliche Wohngemeinschaft. Die Wohngemeinschaft werde über 24 Stunden vom Pflegepersonal betreut, sodass eine Brandgefahr nahezu auszuschließen und die Rettung bzw. Unterstützung bei der Rettung jederzeit möglich sei. Im Übrigen sei es der Wille des Gesetzgebers, diese Wohngemeinschaften zu erhalten und zu fördern. Die zuständigen Ministerien hätten bereits in einem gemeinsamen Rundschreiben festgelegt, dass erst ab einer Anzahl von 7 pflegebedürftigen Personen von einem Sonderbau auszugehen sei.
Das Verwaltungsgericht Potsdam wies diese Überlegungen zurück und bestätigte die Nutzungsuntersagung der Baubehörde. Die derzeitige Nutzung als Wohngemeinschaft zur Pflege und Betreuung älterer und pflegebedürftiger Menschen sei ohne die erforderliche Nutzungsgenehmigung erfolgt. Das betreffende Gebäude, in dem sich die Wohngemeinschaft befindet, sei mit Baugenehmigung ursprünglich als Mehrfamilienwohnhaus zur Wohnnutzung genehmigt worden. Nunmehr werde es teilweise zur Pflege und Betreuung älterer und teils schwerstpflegebedürftiger Personen genutzt. Die hierdurch vollzogene Änderung der Nutzung stelle eine andere Art der Nutzung dar, die von der genehmigten reinen Wohnnutzung abweiche und die jedenfalls unter bauordnungsrechtlichen Aspekten anders als die frühere Nutzung zu beurteilen sei. Es handele sich um eine Einrichtung zur Unterbringung und Pflege von Personen und damit um einen Sonderbau. Bei dem Begriff der Einrichtung nach der Bauordnung komme es nicht auf den Begriff der Einrichtung nach dem Länder-Heimgesetz (hier: dem brandenburgischen Pflege- und Betreuungswohngesetz) an. Die Regelungen der Bauordnung verfolgten andere Schutzziele, als die heim- und pflegerechtlichen Gesetze. Der Begriff der Einrichtung im bauordnungsrechtlichen Sinne sei als ein Ort zu verstehen, der zu einem bestimmten Zweck – hier zur Unterbringung und Pflege von alten und pflegebedürftigen Personen – errichtet beziehungsweise genutzt werde. Die Wohngemeinschaft sei außerdem von dem Wechsel der einzelnen Bewohner unabhängig und auf Dauer angelegt. Den Bewohnern werde eine umfassende Betreuung geboten, die über eine gelegentliche Unterstützung bei einer ansonsten eigenständigen Haushaltsführung weit hinausgehe. Daher bestehe hier keine vergleichbare Situation mit einer häuslichen Pflege im Familienkreis oder einer Wohngemeinschaft, zu der sich mehrere Senioren eigenverantwortlich zusammenschließen. Die Bewohner der Wohngemeinschaft seien aufgrund ihres Alters und ihrer Pflegebedürftigkeit bis hin zu einer Schwerstpflegebedürftigkeit, insbesondere hinsichtlich des Brandschutzes, aber auch hinsichtlich der Barrierefreiheit auf einen gesteigerten baurechtlichen Standard angewiesen. Aufgrund dieser besonderen Nutzung des zur reinen Wohnzwecken genehmigten Mehrfamilienhauses entstehe eine Gefährdung der Bewohner. Ob die WG-Bewohner besondere Beeinträchtigungen aufweisen, die es ihnen nicht mehr möglich machen, sich im Brandfall aus der Gefahrenzone zu begeben, sei nicht relevant. Entscheidend sei die Art der Nutzung. Im Vordergrund stehe die Unterbringung, Pflege und Betreuung der hilfsbedürftigen Bewohner, die aufgrund ihrer Erkrankungen Schwächen im Orientierungssinn und Gefahrenbewusstsein oder auch Bewegungseinschränkungen haben. Allen WG-Bewohnern sei gemeinsam, dass sie täglich auf Hilfe angewiesen seien und je nach körperlicher und geistiger Verfassung Orientierungsschwierigkeiten oder teilweise massive Bewegungseinschränkungen aufweisen können. Eine bestimmte Mindestgröße für die Anzahl der dort wohnenden Personen sehe der Sonderbautatbestand nicht vor. Das gemeinsame Rundschreiben der Ministerien des Landes Brandenburg habe keine Bindungswirkung und könne die Brandenburgische Bauordnung nicht einschränken.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam ist hinsichtlich der Einordnung der Wohngemeinschaft als Sonderbau im Sinne der Brandenburgischen Bauordnung zu kritisieren. Zwar ist zutreffend, dass die Bauordnung nicht ausdrücklich an die Bestimmungen im Länder-Heimgesetz angepasst worden ist. Die Einordnung als Sonderbau setzt jedoch eine Nutzung als „Einrichtung“ voraus, was nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Unterbringung von Personen bedeutet, die gerade nicht mehr zur eigenverantwortlichen Lebensführung in der Lage sind. Dem Verwaltungsgericht ist jedoch insoweit zuzustimmen, als hier der Gesetzgeber gefragt sein dürfte. Denn schon vor geraumer Zeit wurde im Rahmen der Gesetzesbegründungen zu den heimrechtlichen Nachfolgegesetzen ausgeführt, dass die Musterbauordnung angepasst werden solle und zeitnah eine bauaufsichtsrechtliche Richtlinie erlassen werden solle, die eine differenzierte Beurteilung der Einrichtungen im Hinblick auf die Entscheidungen nach der Sonderbauregelung ermögliche. Solange der Gesetzgeber jedoch nicht tätig wird, können die Verwaltungsgerichte nur die geltenden Bauordnungen anwenden.
Die „Fachkommission Bauaufsicht“ hat leider bis heute erst einen Entwurf zur Änderung der Musterbauordnung (Stand 1.6.2011) vorgelegt In diesem Entwurf ist vorgesehen, dass als Sonderbauten Nutzungseinheiten ab 7 Personen mit Pflegebedürftigkeit oder Behinderungen anzusehen sind, weil ab dieser Personenzahl ein Gefahrenpotenzial besteht, welches im Baugenehmigungsverfahren einer Einzelfallbeurteilung unterzogen werden muss. Bis zu 6 Personen ist somit nach dem Entwurf weder die Einstufung in die Kategorie Sonderbau noch eine Nutzungsänderung anzunehmen. Da die Musterbauordnung aber noch nicht geändert worden ist und die Bundesländer ihre Bauordnungen deshalb auch noch nicht geändert haben, gelten die meisten Wohngemeinschaften nach diesen einzelnen Bauordnungen der Länder als Sonderbauten. Konsequenz ist, dass es sich bei der Nutzung durch überwiegend alte und pflegebedürftige Menschen um eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung handelt, da diese Nutzung nicht mehr von der zumeist Baugenehmigung für ein Wohnhaus gedeckt ist.
Tipp für die Praxis:
Klären Sie mit dem Vermieter der Wohngemeinschaften, in denen Sie Pflegeleistungen erbringen, ob dieser der zuständigen Bauaufsichtsbehörde die Nutzung als Wohngemeinschaft für pflegebedürftige Menschen angezeigt hat. Hier wäre ein entsprechendes Genehmigungsverfahren notwendig, sofern es sich nach der landesbaurechtlichen Regelung um einen Sonderbau handelt. Gegebenenfalls kann die Nutzungsänderung nachträglich genehmigt werden, sodass es nicht zu einer Nutzungsuntersagung kommen muss. Allerdings sind dann gegebenenfalls die Anforderungen an den Brandschutz und die Barrierefreiheit zu erfüllen, die mit erheblichen Kosten verbunden sein können.