Hilfe zur Pflege: Leistung auf eigenes Risiko?
Problem: Pflegedienste erbringen häufig bereits Leistungen der Hilfe zur Pflege, bevor diese vom Sozialhilfeträger bewilligt worden sind. Sie gehen hierbei ein großes Risiko ein, am Ende für lange Zeiträume mit leeren Händen dazustehen.
Die Antragsbearbeitung auf Leistungen der Hilfe zur Pflege zieht sich häufig über lange Zeit hin. Der Sozialhilfeträger muss erst ermitteln, ob Vermögen vorhanden ist, das der Antragsteller für die Leistungen der Hilfe zur Pflege einsetzen muss. Wenn Vermögen vorhanden war, muss der Antragsteller nachweisen, dass er dieses verbraucht hat. Erst wenn er diesen Nachweis geführt hat, ist Bedürftigkeit gegeben und es besteht Anspruch auf Sozialhilfeleistungen. Vorher muss das Sozialamt grundsätzlich nicht leisten. Erst bei Bewilligung hat der Leistungserbringer einen eigenen Vergütungsanspruch gegenüber dem Sozialhilfeträger. Dies hat das BSG am 20.09.2012 entschieden (AZ: B 8 SO 20/11 R).
Viele Pflegedienste erbringen ihre Leistungen trotz dieser unklaren Kostensituation weiter im Vertrauen darauf, der Pflegekunde werde den Nachweis der Vermögenslosigkeit schon erbringen können. Dieses Vertrauen wird jedoch immer häufiger enttäuscht. Denn der Sozialhilfeträger ist berechtigt, so lange Vermögen des Antragstellers zu berücksichtigen, wie sein Verbrauch nicht nachgewiesen worden ist. Dieser Einwand kann jeden Monat erneut den Sozialhilfeanspruch des Pflegekunden zunichte machen. Bevor der Vermögensverbrauch und die Bedürftigkeit des Pflegekunden also nicht nachgewiesen ist, erbringt der Pflegedienst seinen Leistungen auf eigenes Risiko. Dies kann sich unter Umständen über Monate hinziehen.
Lösung: In dieser Konstellation haben die Pflegedienste nur folgende Möglichkeiten:
1. Verfahren zügig führen
Sie sollten ihre Pflegekunden anhalten, das Verfahren zügig zu führen und alle notwendigen Nachweise vorzulegen. Die Schwierigkeit besteht hier darin, dass die Pflegedienste keine eigene Rechtsposition gegenüber dem Sozialhilfeträger haben und in der Regel auch keine Auskunft zum Stand des Verfahrens erhalten. Sie können daher nur versuchen, auf den Pflegekunden bzw. dessen Angehörige oder Betreuer einzuwirken, damit diese die notwendige Mitwirkung gegenüber dem Sozialhilfeträger erbringen.
2. Leistungen in Rechnung stellen
In jedem Fall sollten die erbrachten Leistungen dem Pflegekunden in Rechnung gestellt werden, damit für diesen die offene Kostensituation bewusst wird und er sich entsprechend aktiv einbringt.
3. Einstweiligen Rechtsschutz beantragen
Sind alle Nachweise vorgelegt und besteht am Anspruch dem Grunde nach kein Zweifel mehr, sollte der Pflegekunde dazu bewegt werden, einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht in Anspruch zu nehmen. Das Sozialgericht kann den Sozialhilfeträger dann vorläufig verpflichten, für die Zukunft Leistungen zu bewilligen. Zum Nachweis der Eilbedürftigkeit sollte die Kündigung des Pflegevertrags in Aussicht gestellt werden.
4. Verfahren konsequent zu Ende führen
Bezüglich der bereits erbrachten Leistungen kann das Sozialgericht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren jedoch keine Regelung treffen. Hierzu muss das normale Verfahren mit Hinwirkung auf Bescheiderteilung (Untätigkeitsklage!), ggf. Widerspruch und Klage geführt werden. Verstirbt der Pflegekunde im Laufe des Verfahrens treten die Pflegedienste zwar nicht – wie die Pflegeheime – in dessen Rechtsposition ein (§ 19 Abs.6 SGB XII), jedoch kann der Anspruch auf Kostenerstattung von den Erben bzw. vom gerichtlich bestellten Nachlasspfleger weiter verfolgt werden. Falls beim Tod des Pflegekunden dessen Vermögenssituation noch nicht vollständig geklärt ist, ist auch noch in diesem Stadium die Bedürftigkeit des verstorbenen Pflegerkunden als Anspruchsvoraussetzung für die Hilfe zur Pflege nachzuweisen.
5. Kostenerstattungsanspruch abtreten lassen
Hinzuweisen ist noch auf die Möglichkeit, dass sich der Leistungserbringer den Kostenerstattungsanspruch bei bereits erbrachten Leistungen nach § 17 Abs. 1 SGB XII abtreten lassen kann. Hat also ein Pflegedienst in Erwartung der Gewährung von Sozialhilfeleistungen an den Pflegekunden bereits Vorleistungen erbracht und in Rechnung gestellt, sodass sich der Sozialhilfeanspruch nur noch auf die Kostenerstattung bezieht, ist eine Abtretung des Anspruches an den Pflegedienst zulässig. Der Pflegedienst kann sich den Anspruch auf Kostenerstattung gegen den Sozialhilfeträger auch von den Erben bzw. vom Nachlasspfleger abtreten lassen. Auch dann muss der Pflegedienst allerdings ggf. noch die Bedürftigkeit des Pflegekunden und den notwendigen Umfang der Leistungen nachweisen, was ihm unter Umständen schwer fallen dürfte.