Abrechnungsfehler führen häufig zu Ermittlungsverfahren
Ambulante Pflegedienste sind mittlerweile häufig im Visier der Staatsanwaltschaften. Bundesweit wird gegen zahlreiche ambulante Pflegedienste wegen Verdachtsfällen von Abrechnungsbetrug ermittelt.
In der Praxis handelt es sich meistens um die Abrechnung von Leistungen, die nicht oder nur teilweise erbracht wurden. Des Weiteren stehen Abrechnungen von Leistungen durch nicht vertragsgemäß qualifizierte Pflegekräfte im Fokus. Der BGH hat durch Beschluss vom 16. Juni 2014 (4 StR 21/14) klargestellt, dass Abrechnungsbetrug vorliegt, wenn ein ambulanter Pflegedienst Leistungen abrechnet, die von Mitarbeitern erbracht wurden, die nicht über die mit der Kranken- und Pflegekasse vertraglich vereinbarte Qualifikation verfügen. Das Unterschreiten der vertraglich vereinbarten Qualifikation führt danach auch dann zum vollständigen Entfallen des Vergütungsanspruchs, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden seien („streng formale Betrachtungsweise“ im Sozialrecht). Immer häufiger wird der Vorwurf aber auch nur deswegen erhoben, weil der Pflegedienst bei tatsächlich erbrachter Leistung gegen Dokumentationspflichten verstoßen hat.
Die formalen Anforderungen an die fachliche Qualifikation, die zur Erbringung von behandlungspflegerischen Leistungen nach dem SGB V berechtigen, sowie an die weiteren Umstände der Leistungserbringung, wie etwa Dokumentationspflichten, werden zwischen den Leistungserbringern und Krankenkassen in den Verträgen nach § 132 a Abs. 4 SGB V vereinbart.
Ob der Verstoß gegen Dokumentationspflichten allerdings zu einer Rückforderung der erhaltenen Vergütung berechtigt oder gar einen Betrugsvorwurf auslösen kann, ist zumindest problematisch. Denn nicht jeder Vertragsverstoß kann Rückforderungen und den Vorwurf des Betrugs begründen.
In zahlreichen Verträgen existieren darüber hinaus für Leistungen der Behandlungspflege Öffnungsklauseln, die auch von anderen geeigneten Pflegekräften erbracht werden dürfen, wobei exakte Abgrenzungskriterien fehlen. Die Vertragslage ist oftmals unübersichtlich und bietet Interpretationsspielraum. Fraglich ist, zu welchen Lasten die Unklarheiten gehen und ob diese Rückforderungen und strafrechtliche Ermittlungen rechtfertigen. Zwar kann es sich hierbei um einen Vertragsverstoß handeln, der vertragliche Konsequenzen nach sich zieht; dies ist aber noch kein ausreichender Grund, dem Pflegedienst tatsächlich einen Abrechnungsbetrug vorzuwerfen und Vergütung zurückzuverlangen.
Gleichwohl informieren die Krankenkassen in diesen Fällen häufig die Staatsanwaltschaften, die die sog. „streng formale Betrachtungsweise“ aus dem Bereich des ärztlichen Abrechnungsbetrugs auf Abrechnungsauffälligkeiten im Bereich der häuslichen Krankenpflege übertragen. Die Leistung sei auch dann nicht abrechenbar, wenn sie auch nur in Teilbereichen nicht den gestellten Anforderungen genüge. Dies dürfte nicht zutreffen, denn nicht jeder formale Fehler führt dazu, dass erbrachte Leistungen der Behandlungspflege nicht mehr abrechenbar wären. Es muss sich vielmehr um konstitutive Voraussetzungen handeln, wie die inhaltliche Qualifikation, nicht um bloße Ordnungsvorschriften.
Sind Pflegedienste von diesem Vorwurf betroffen, sollten sie umgehend, möglichst frühzeitig im Ermittlungsverfahren oder schon vorbeugend, anwaltlichen Rat einholen.