BSG bejaht Anspruch auf häusliche Krankenpflege auch in Heimen der Eingliederungshilfe
Krankenkassen müssen häusliche Krankenpflege auch in Heimen für obdachlose Männer gewähren, die als Einrichtungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII betrieben werden. Solche Heime können jedenfalls «sonst geeignete Orte» i.S.d. § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V sein, entschied das Bundessozialgerichtin zwei Fällen vom 25.02.2015 (B 3 KR 10/14 R; B 3 KR 11/14 R).
Zeitpunkt der Leistungspflicht der Kassen
Personen die sich in solchen Einrichtungen aufhalten, sollen laut BSG jedenfalls nicht schlechter stehen als Menschen, die in ihrem eigenen Haushalt leben. Deshalb setzt dem Gericht zufolge die Leistungspflicht der Krankenkasse ein, wenn und soweit die Einrichtung nicht selbst verpflichtet ist, die Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu gewähren, auf die die Betroffenen in der Einrichtung konkret angewiesen sind.
Rechtslage für medizinische Behandlungspflege in Eingliederungseinrichtungen
Das Bundessozialgericht wies darauf hin, dass Einrichtungen der Eingliederungshilfe nach den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich nur soweit verpflichtet seien, medizinische Behandlungspflege zu erbringen, wie sie dazu aufgrund der von ihnen vorzuhaltenden sächlichen und personellen Ausstattung in der Lage sind. Die medizinische Behandlungspflege sei vorrangig Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Träger der Sozialhilfe habe daher grundsätzlich nicht durch entsprechende Verträge dafür Sorge zu tragen, dass diese Leistung durch Einrichtungen der Eingliederungshilfe erbracht werde, so die Kasseler Richter.
Einfachste Maßnahmen der Krankenpflege mit Eingliederungshilfe verbunden
Allerdings seien einfachste Maßnahmen der Krankenpflege, für die es keiner besonderen Sachkunde oder Fertigkeiten bedarf, in der Regel untrennbar mit der Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger in einer stationären Einrichtung verbunden, weil sie zu den Hilfen bei der Führung eines gesunden Lebens gehören, zu dem der Aufenthalt in der Einrichtung den Betroffenen befähigen solle, heißt es in der Entscheidung weiter. In der Regel – so auch in den hier entschiedenen Fällen – gehöre die Hilfe zur Gesundheitsvorsorge in diesem elementaren Sinne zum Leistungsangebot der Einrichtung, wie es in den Verträgen nach § 75 Abs 3 SGB XII näher beschrieben werde, so das BSG. Deshalb seien diese einfachsten Maßnahmen der Krankenpflege, die für Versicherte, die in einem Haushalt leben, von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können, regelmäßig von der Einrichtung selbst zu erfüllen, so die Kasseler Richter weiter.
Weitergehende medizinische Behandlungspflege nur eingeschränkt geschuldet
Weitergehende medizinische Behandlungspflege schulde eine Einrichtung nur, so das BSG, wenn sich dies aus ihren Verträgen, ihrer Leistungsbeschreibung, ihrem Aufgabenprofil unter Berücksichtigung des Bewohnerzielgruppe und ihrer sächlichen und personellen Ausstattung ergebe. Eine Einrichtung, die nach ihrem Profil ein niederschwelliges Leistungsangebot für obdachlose Menschen vorhält und diesen Hilfen bei Störungen in körperlichen, psychischen und sozialen Bereichen gewähren will, müsse in der Lage sein, die von ihr aufgenommenen Menschen auch mit der erforderlichen Hilfestellung bei den notwendigen gesundheitlichen Maßnahmen zu versorgen, wie das im Vertrag der hier betroffenen Einrichtung der Beigeladenen ausdrücklich formuliert sei, so die BSG-Richter.
Hilfe bei Medikamenteneinnahme ist von Heim zu erbringen
So ist laut Gericht das Bereitstellen von Medikamenten und die Hilfe bei deren regelmäßiger Einnahme sowie die Blutdruckmessungen als einfachste Maßnahmen medizinischer Behandlungspflege typischerweise von der Einrichtung zu erbringen; ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegen die Krankenkasse bestehe daher nicht. Der Wechsel von Wundverbänden und die Verabreichung von Injektionen werde hingegen von einer Einrichtung der Eingliederungshilfe, die ausschließlich mit Fachpersonal aus den Bereichen Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Pädagogik arbeitet, nicht geschuldet. Für die Versorgung mit diesen Leistungen sei daher von der Krankenkasse häusliche Krankenpflege zu gewähren.
Revision teilweise erfolgreich
Nach diesen Grundsätzen hatte die Revision der Krankenkasse im Verfahren B 3 KR 10/14 R Erfolg; im Verfahren B 3 KR 11/14 R hatte die Revision für den Zeitraum Erfolg, in welchem für den Versicherten häusliche Krankenpflege lediglich zum Herrichten und Verabreichen von Medikamenten verordnet war. Für den übrigen Zeitraum war der Rechtsstreit zurückgewiesen worden, weil die Rechnungen des Pflegedienstes nicht hinreichend nach den einzelnen Verrichtungen aufgeschlüsselt waren.